Robert Bramkamps Lesebuch zu seinem Film über den legendären Roman von Thomas Pynchon. – „Gravity’s Rainbow“ gilt als unverfilmbar. Es ist auch jetzt unverfilmt. Aber auf Bramkamps Prüfstand hat es gestanden, und wir können befremdet und animiert nachlesen und auf den Fotos angucken, was in Peenemünde passiert ist und noch passiert. Denn dort, wo Hitlers Wunderwaffe erprobt wurde, die V 2, werden die Raketenschüsse vom Pynchonjünger Bramkamp proliferierend kontextualisiert: historisch, aktuell, utopisch, gesellschaftlich, künstlerisch, militärisch, alltagskulturell, philosophisch, filmgeschichtlich, unterhaltend und dann auch abhebend. Was immer Sie wollen. Das Vorhaben ist genial-größenwahnsinnig bis sachlich konkret. Pynchon ist derzeit Kult, und Bramkamp steht die Zukunft bevor.
Eigentlich ist ein Buch wie „Prüfstand 7“ unmöglich: die Parallelwelt der Parallelwelt einer Parallelwelt. Doch das Buch gibt es, bebildert, gegliedert, faktenreich, versponnen, und mit wechselnden Gefühlen zu lesen: Texte von Rudolf Arnheim („Die Frau im Mond“, 1929), über Aleister Crowley zu Friedrich Kittler („Genozid und Innovation“). Auch läßt sich die Produktionsgeschichte des Films nachlesen: Bramkamps Korrespondenz mit Pynchon, die bizarre Geschichte des Rocketsongs oder das Filmtreatment, das den Gremien alles erklärte. Wir wissen jetzt, daß es Inga Busch und Matthias Fuchs waren, die in die fabulierende Dokumentation Spiel bringen. Fans werden wir damit nicht. Eher kommen Militärfans auf ihre Kosten, wenn Reinhold Krüger, detailversessener Exlehrling und derzeit Forschungsexperte der mittlerweile musealen Raketenstation, heute dem begeisterten Peenemündebesuchern die Verdienste der verblichenen Raketenforscher erklärt. Wer das liest, dem wird unwohl, aber das geschieht auch sonst, wenn wir mit der Wirklichkeit konfrontiert werden.
Bramkamps Buch (und Film) verhakt sich auf eigenwillige und -ständige Weise mit der Realität. Es ist die auf den ersten Blick befremdliche Häufung multipler Schichten, die den paradoxen Standort festmacht, dort, wo sich die Parallelen schneiden, bekanntlich irgendwo im All. Von dort zoomt der Blick auf irdische Details runter, und der Leser nimmt die Haltung des abenteuernden Philosophen ein, der zwischen den „Enden der Parabeln“, um den deutschen Titel des Pynchon-Romans zu nennen, – um also dort Peenemünde auszumachen und unliebsam Disparates beim trauten tête-à-tête zu überraschen.
Ja, auch ich habe den Kopf geschüttelt und mich gefragt, ob man das darf, die Dokumente – das Buch besteht im wesentlichen daraus – neu zu mischen und zusammenzubringen, was nach unseren Gewohnheiten nicht zusammengehört. Mir hats Spaß gemacht, sicherlich gekitzelt vom Reiz des eigentlich Unstatthaften.
Ein Witz ist es schon, daß im Buch explizite Botschaften gedruckt sind, die im diskursdokumentarischen Film in Bildern, durch Fiktion und Montage verrätselt sind. Doch wir nehmen „Prüfstand 7“ als selbständig zu lesendes Printwerk, und das läßt sich getrost nach Hause tragen, – solange der Film im Kino nicht zu sehen ist. Er lief im November auf 3Sat.
Robert Bramkamp und Olga Fedianina (Hg.): Prüfstand 7. Das Buch zum Film. Material zum Film und andere Forschungen zum Geist der Rakete. 188 S., Berlin (Maas Verlag) 2002