Herr Enkert und Held Enkidu

taz dvdesk, 18. Dezember 2008,
von Ekkehard Knörer

Halb spielerisch und mit Absicht naiv, halb unverfroren gedankenreich und komisch noch dazu sind Bramkamps Filme

Zwischen den Stühlen sitzt seit zwanzig Jahren der deutsche Filmemacher Robert Bramkamp. Was in seinem Fall nicht gegen ihn und seine Art, Filme zu machen, spricht, sondern gegen die vorhandenen Stühle und ihre Art, dem Denken und Sehen Sitzplatz zu bieten. Bei Bramkamp nämlich darf zusammenkommen, was sonst von Fernsehen und Filmförderinstituten schön säuberlich auseinanderdividiert wird: das Dokumentarische und das Fiktive, das Konkrete und das Abstrakte, der Körper und sein Gedanke, das Geerdete und das Hochfliegende, die genaue Verortung und der Ausflug in die Fantasie. Bramkamp bringt all das zusammen. Und wie.

So, zum Beispiel in „Gelbe Sorte“: In dem ersten Langfilm von 1987 verbinden sich Szenen aus der Landwirtschaft mit einem ausgetüftelten EU-Subventionsbetrug, einer Liebesgeschichte und Bildern der chinesischen Kulturrevolution. Im frühen Kurzfilm „Himmel der Helden“ begegnen einander Bielefeld und der Mond. Ein Auftritt des evangelikal wiedergeborenen Apollo-Astronauten James Irving in der Rudolf-Oetker-Halle wird mit Spielszenen verbunden, in denen eine Kosmonautin auf dem Mond einem amerikanischen Kollegen das Leben rettet. Bindeglied der eröffneten Szenen ist ein Stein, der so als ganz konkret gewordene Metapher für das Grundprinzip des Bramkamp’schen Kinos steht: die Montage. Nicht so sehr wie im sowjetischen Kino der Zwanzigerjahre, das auf die unmittelbaren Spannungseffekte zwischen gegeneinander gestellten Einzelbildern setzte, sondern auf einer grundsätzlicheren Ebene.

Die Montage, wie Bramkamp sie versteht, produziert aus dem Zusammenprall, was das einzelne Element nicht aus sich selbst heraus bieten kann. Und sie relativiert nicht nur die einzelnen Elemente selbst, sondern löst auch die Selbstverständlichkeiten von eingeübten Genres und Unterscheidungen auf, indem sie ihre Bewegung gegeneinander neu bestimmt.

So zum Beispiel in „Der Bootgott vom Seesportclub“: Im jüngsten Film von 2006 überblendet Bramkamp ganz frech die banalste brandenburgische Gegenwart mit der mythischen Tiefendimension des sumerischen Gilgamesch-Mythos. Enki, die Hauptfigur (gespielt von Steffen Scheumann) ist hier die freundliche ABM-Kraft als Mädchen für alles beim Seesportclub von Wendisch-Rietz. Die Erzählerstimme aber insistiert darauf, noch die alltäglichsten Tätigkeiten (wie zum Beispiel Ziegel anmalen, Ruderwettbewerbe, auf dem Steg rumstehen) als mythisches Tun zu begreifen und Herrn Enkert als Enkidu. Was, der Fallhöhe wegen, komisch ist – so komisch, wie es Bramkamps Filme, auf den ersten Blick gar nicht mal immer sichtbar, grundsätzlich sind.

Was aber auch, so jedenfalls, wie Bramkamp es inszeniert, einen anderen Effekt hat. Keineswegs den einer reaktionären Wiederverzauberung trister Normalität. Eher wird der Realität etwas Entscheidendes durch Hinzufügung des Mythos genommen, die betäubendste aller Vorstellungen nämlich: dass, was ist, so und genau das auch sein muss, was und wie es nun einmal ist.

Das Spiel, das der durchaus dokumentarisch anmutende Film per Mythisierung in Gang setzt, löst mit einfachsten Mitteln den Alltag aus seiner Verankerung im Selbstverständlichen. Und weil es halb spielerisch und mit Absicht naiv ist und halb unverfroren gedankenreich, steht Bramkamps Werk irgendwo in der Mitte zwischen den Filmen des Zerebralartisten Alexander Kluge und des intellektuellen Spielkinds Jacques Rivette.

Kein Wunder auch, dass Bramkamp als Einziger bisher – in „Prüfstand 7“ von 2002 – Thomas Pynchon verfilmen durfte und, nebenbei gesagt, der perfekte Regisseur zur Verfilmung von Dietmar-Dath-Romanen wäre, die mit den Mitteln der Literatur ganz Ähnliches anstellen wie Bramkamp mit den Mitteln des Films.

Bramkamp sitzt auch zwischen den Stühlen von Kino und Kunst und damit recht unbequem zwischen den Fördertöpfen und Fleischtrögen des Betriebs. Den Filmen schadet die Tatsache, dass sie Arte Povera sind, gar nicht. Nur gibt es zu wenige davon, und sie zu sehen zu bekommen war bisher nicht einfach. Das hat sich jetzt geändert. In der DVD-Viererbox oder einzeln sind die wichtigsten Bramkamp-Filme im Shop auf der Website des Regisseurs nun zu haben.

Die Website hat die Adresse www.bramkamp.info, die Filme kosten einzeln 21,50 bzw. 27 €; die Box, mit „Gelbe Sorte“ als Bonus, gibt es für 64,50 €

© taz Entwicklungs GmbH & Co. Medien KG 2008

 

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