Filmhaus geht auf Sendung

Stadtblatt Bielefeld, 09.02.1989,
by Bettina Markmeyer

Die nordrheinwestfälischen Filmhäuser und Filmwerkstätten haben ihre erste eigene Magazinsendung für SAT 1 produziert..

Einer – Keiner – Hunderttausend  ist ein Kulturmagazin, das die üblichen Standards solcher Sendungen auf den Kopf stellt. Durch die 35-minütige Sendung rührt kein(e) Moderator(in), die Themen orientieren sich nicht an aktuellen Kulturnachrichten. Der Inhalt der Sendung ergibt sich nicht aus einer, dem Publikum gegenüber verdeckt willkürlichen Themenauswahl, sondern aus dem Material, das für die Produktion einzelner Sendungen zur Verfügung steht. Und vor den Inhalten macht sich das neue Magazin die Herstellungsweisen zum Thema, die in den normalen  Medienbeiträgen regelmäßig ausgeblendet sind.

Nur ein Teil dieses Materials wird gezielt hergestellt, der überwiegende Teil wird von den Filmhäusern und -werkstätten gesammelt. Die Redaktion des neuen Magazins, der auch Raimond Göbel aus dem Bielefelder Filmhaus angehört, fordert alte Filmschaffenden, ob Profis oder Amateure, auf, Aufnahmen, die sie in ihren eigenen Produktionen nicht verwenden konnten, zur Verfügung zu stellen. Die MacherInnen arbeiten mit dem, was im Rahmen üblicher Auftragsproduktionen, standardisierter Darstellungsformen und Programmschemata keinen Platz findet. Aber nicht nur die Abfälle zielgerichteter Produktionen sind erwünscht, sondern auch Abseitiges, Exotisches und vielleicht gar nicht zur Veröffentlichung bestimmtes.

Premiere hatte Einer- Keiner Hunderttausend  am 31. Januar. Umrahmt von einer überlangen (7 Minuten!), albernen und zudem fehlerhaften Moderation, die auf das Konto des Rahmenprogramms von Kanal 4  geht, liefen 28 Minuten Programm, das in der münsteraner Filmwerkstatt entstanden war, aus der übrigens auch das Konzept der Sendung stammt (Robert Bramkamp/Martin Hagemann). Auch das Material stammte bei dieser ersten Sendung überwiegend aus Münster, denn der Pool, aus dem einmal geschöpft werden soll, befindet sich noch im Aufbau.

Eröffnung: mit einer langen Sequenz aus einem Werkstattgespräch, das die Regisseure Straub/Huillet im letzten Jahr anläßlich der münsteraner Aufführung ihres Tod des EmpedokIes  führten. Jean-Marie Straub über das Schöpfen  und die deutsche Sprache . Die lebendige Redeweise Straubs und Huillets, die später noch einmal dokumentiert wird, kontrastieren die Macherlnnen mit einem verstümmelten Interview, wie es bei der täglichen Fernseharbeit entsteht – das Opfer ist eine junge Filmemacherin – mit einer Sequenz über die Zerstörung massenmedialer Kommunikationsformen durch die Allgegenwart der Moderation und mit zwei Kurzfilmen, die jeweils eigene Bild- und Tonsprachen entwickeln.

Trotz einiger Macken anregende 28 Minuten, angeboten von Kanal 4 , der auf SAT 1 und RTL die massenunwirksamen Programme im Sinne des nordrheinwestfälischen Landesrundfunkgesetzes anbietet. Die Fernsehgesellschaft ermöglicht in diesem Jahr die Produktion von insgesamt sechs Folgen des neuen Kulturmagazins, die nächste wird am 21. März zu sehen sein.

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