Was hat die chinesische Kulturrevolution mit der Agrarpolitik der EG in Brüssel zu tun? Gewiß fällt in beiden Szenarien den Bauern als Betroffenen eine zentrale Rolle zu, doch diese eher vordergründige Parallelität erklärt wohl noch nicht, warum Robert Bramkamp seinen Debütfilm “Gelbe Sorte” so reichhaltig mit einmontierten Revolutionsmotiven angereichert hat. Dabei wären der Subventions-Dschungel und seine Konsequenzen für den “Nährstand” allemal ein vorzüglicher Stoff für ein hochaktuelles Dokumentarspiel.
Doch wo die Wirklichkeit selbst absurde Züge annimmt, reichen auch die Ausdrucksmittel eines beschreibenden Neonaturalismus offenkundig nicht mehr aus. Und es entbehrt nicht einer gewissen Paradoxie, daß gerade der bevorzugte Fluch des Heimatfilms von Zerstörungen heimgesucht wird, deren Ursachen sich der visuellen Abbildung weitgehend entziehen. Der “Kampf gegen den Schweinezyklus” ist eben nicht mehr als Aktion darstellbar. Nach nüchterner Prüfung aller ökonomischen Daten gelangt der Protagonist von Bramkamps Film, der Jungbauer Bernd zu der Erkenntnis: “Je mehr ich produziere, desto größer ist mein Verlust.” Null-Produktion heißt die Losung, die – so der weise Rat des Subventionsexperten – durch harte Arbeit verschleiert werden muss, “sonst sorgen sich bald ihre Nachbarn, warum sie nicht pleitegehen.”
Als Modell dieser Revolutionierung landwirtschaftlicher Produktionsweisen zitiert der Film die sogenannte “blaue Revolution” in den USA, die mit der Einführung neuartiger kobaltfarbener Silos verknüpft war. Schließlich suchte Bramkamp die revolutionären Veränderungen des neuen Zeitalters auch auf der Ebene der Geschlechterbeziehungen auf: Die Freundin des Helden probt den Ausstieg aus vertrauten Abhängigkeitsverhältnissen, scheitert jedoch an der Schwelle zur Schauspielschule. Als dominantes unterschwelliges Thema des Films erweist sich die Angst vor Veränderungen, die vornehmlich als Zerstörungen wahrgenommen werden. Insofern kann “Gelbe Sorte” durchaus als experimentelles Erstlingswerk gelten, das dem Zeitgeist Tribut zollt, ohne ihm zu huldigen. (Mainz)
B.Z.
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